Verbotene Liebe, 9: Die Seifenoper als moralische Instanz
Von Silvia Szymanski // 21. April 2011 // Tagged: TV // Keine Kommentare
In einer Phase, in der ich zu Schuldgefühlen neigte, war diese Seifenoper Gift für mich. Tag für Tag hielt sie mir vor Augen, was Leuten geschieht, die gegen die moralischen Erwartungen anderer verstoßen. Empörung, Ächtung, maßlos selbstgerechtes Ausflippen, nur wenig zaghaft eingestreute Mäßigungen. Man wirft dir vor, anderen das Leben schwer zu machen, und macht es dir zur Rache ohne Gnade extraschwer. So wiegen Leben rasch einige Tonnen.
Aus diesem Grunde bin ich sehr gerührt, wenn ich in „Frühstück bei Tiffany“ sehe, wie Menschen es mal anders machen. Ich meine die Szene, wenn Holly`s viel älterer Mann vom Dorf nach New York kommt, um sie „heimzuholen“. Die beiden sind unaufdröselbar in gegenseitige Schuld verstrickt. Er nutzte damals ihre Notlage aus, um sie als halbes Kind zu heiraten. Dann aber war er lieb zu ihr, und ihre Ehe rettete sie schon irgendwie. Doch es wurde ihr zu eng, sie musste anders leben, floh in die große Stadt, wurde ein mondänes Partymädchen. Als sie sich wieder begegnen, macht keiner dem anderen Vorwürfe. Sie sind einsichtig und mögen und achten sich. Er sagt nur, komm doch mit, und sie: ich kann nicht. Dann umarmen sie sich auf dem Bahnsteig, er fährt zurück, und ich wein jedesmal.